top of page

Das Mobile der Familie Winter

Eine systemische Geschichte, die das Zusammenspiel von Kräften, Ursachen und Zielen mithilfe der Mobile-Metapher erklärt.


In einem kleinen Dorf lebte die Familie Winter: Vater Paul, Mutter Anna, Tochter Lisa und Sohn Max. Sie lebten in einem alten Haus, das von Generationen ihrer Familie geerbt wurde. Von der Decke des Wohnzimmers hing ein wunderschönes, filigranes Mobile, das Paul selbst gebastelt hatte. Es war aus dünnen Ästen, mit Muscheln und Federn geschmückt, die sanft im Windhauch der geöffneten Fenster schwangen.

Dieses Mobile war etwas Besonderes, denn jedes Mal, wenn es sich bewegte, erinnerte es die Familie daran, wie alles miteinander verbunden war. So, wie eine leichte Berührung an einer Seite des Mobiles die ganze Struktur ins Schwingen brachte, war auch das Leben der Familie in ständiger Bewegung.

Eines Abends, während eines schweren Sturms, riss ein Ast vor dem Haus ab und krachte durch das Fenster. Das Mobile geriet durch den Windstoß ins Wanken und ein Teil brach ab.



Inmitten des Chaos spürte jede Person der Familie eine Veränderung, obwohl sie sich dieser noch nicht bewusst waren. Der Schaden am Mobile spiegelte sich in der Familie wider – denn die Balance, die immer bestand, geriet ins Ungleichgewicht.


  • Paul, der Vater, war nach dem Vorfall unruhig. Sein Job im Büro machte ihn zunehmend müde, und die Reparaturen am Haus wurden ihm zur Last. Er merkte, dass er gereizter war als sonst, doch er sagte nichts. Er spürte nur, wie die Anspannung zwischen ihm und Anna wuchs.


  • Anna, die Mutter, bemerkte Pauls Unruhe. Sie versuchte, es ihm recht zu machen, obwohl sie selbst erschöpft war. Die Fürsorge für die Kinder, der Haushalt, all das wurde ihr zu viel. Sie fühlte, dass sie in den letzten Jahren ihre eigenen Wünsche und Träume beiseite gelegt hatte, um für alle da zu sein. Etwas in ihr begann sich zu verschieben, so wie das Mobile, das unruhig im Wind schwankte.


  • Lisa, die Tochter, zog sich in ihr Zimmer zurück. Sie war 16 und spürte die Spannungen zwischen ihren Eltern. Die Schule fiel ihr schwer, sie fühlte sich immer häufiger verloren. Doch anstatt darüber zu sprechen, zog sie sich zurück, in der Hoffnung, dass alles besser werden würde, wenn sie sich einfach raus hielt.


  • Max, der jüngste Sohn, war gerade 10 und merkte die Veränderungen auf seine Weise. Er wurde lauter, frecher, suchte Aufmerksamkeit, weil er spürte, dass etwas nicht stimmte, aber nicht wusste, wie er damit umgehen sollte.


Die Familie Winter lebte weiter, jeder in seiner eigenen kleinen Welt, doch die Unruhe wuchs. Keiner von ihnen konnte sehen, dass die Ursache nicht in einem einzelnen Mitglied lag, sondern in dem feinen Netz aus unsichtbaren Fäden, das sie verband – so wie das Mobile, dessen Teile nur zusammen eine Einheit bildeten.


Eines Tages schlug Anna vor, etwas Neues zu versuchen: eine systemische Aufstellung. Sie hatten von einer Therapeutin gehört, die helfen konnte, Dinge sichtbar zu machen, die im Verborgenen lagen. Vielleicht war dies der Schlüssel, um die Balance wiederzufinden.


In der Praxis stellte die Therapeutin Stühle im Raum auf, einen für jedes Familienmitglied. Jeder von ihnen nahm Platz oder wählte einen Stellvertreter, der für ihn aufgestellt wurde. Langsam begannen sie, die Verbindungen zu spüren. Paul sah, wie er in seiner Sorge um die Finanzen den Kontakt zu seiner Familie verloren hatte. Anna erkannte, wie sie sich selbst immer wieder zurückgestellt hatte, um für alle da zu sein, und wie das auf Lisa und Max wirkte.


Lisa erkannte, dass sie nicht unsichtbar sein musste, um den Frieden zu bewahren, und Max begriff, dass seine Lautstärke nur ein Schrei nach Aufmerksamkeit war.

Die Aufstellung zeigte, dass das Ungleichgewicht nicht durch einen Einzelnen verursacht worden war, sondern durch die Dynamik des ganzen Systems. Jeder war verbunden – wie die Teile des Mobiles. Und wie das Mobile nur dann in Harmonie schwingt, wenn alle Teile im Gleichgewicht sind, so brauchte auch die Familie einen gemeinsamen Weg zurück in die Balance.


Nach der Aufstellung war etwas anders. Sie sprachen mehr miteinander, hörten einander zu. Paul fand neue Wege, sich zu entspannen und seine Sorgen zu teilen. Anna begann, wieder kleine Freiräume für sich zu schaffen. Lisa traute sich, offen über ihre Ängste zu sprechen, und Max lernte, dass er auch gehört wurde, wenn er ruhig war.


Und so, wie Paul das Mobile reparierte und es wieder sanft und harmonisch im Wind schwingen konnte, so fand auch die Familie Winter Stück für Stück zurück zu ihrer eigenen Balance.


Moral der Geschichte: Wie in einem Mobile sind auch die Mitglieder einer Familie oder eines Systems immer miteinander verbunden. Jede Veränderung, sei sie noch so klein, beeinflusst das gesamte Gefüge. Durch das Verständnis der Kräfte, Ursachen und Ziele in einem System können Ungleichgewichte erkannt und neue Wege zur Harmonie gefunden werden.

Comments


Featured Posts
Letzte Posts
Search By Tags
Folge mir auch hier:
  • Facebook Classic
  • Twitter Classic
  • Google Classic
bottom of page